2. Von Kindern, Eltern und Lehrern
Da erblickt ein Kind gerade mal das Licht der Welt, schon versucht man mit größter Mühe, ihm ein Bäuerchen nach dem anderen zu entlocken, und nur wenig später setzen die Eltern alles daran, ihm das Laufen und Sprechen beizubringen. Wenn es das alles dann endlich kann und von seinem Können Gebrauch machen möchte, kommt von gleicher Seite: "Laß das Rülpsen, bleib brav sitzen, halt den Mund."
Hierdurch schon leicht verunsichert, wird es dann ganz im Widerspruch zu den langjährigen Ermahnungen, meist von Seiten des weiblichen Elternteils, sich ja nicht zu weit vom Mutterschoß zu entfernen, täglich allein zur Schule geschickt. Dort sieht es sich über Jahre hinweg weitgehend wehr- und hilflos der Besserwisserei einer Gattung von Lebewesen ausgesetzt, die gemeinhin als 'homo sapiens pedagogens' bezeichnet wird und wohl zu den seltsamsten Vögeln unserer Fauna gezählt werden muß.
Diese ast- und lupenreinen Theoretiker orientieren sich in Folge eines allzu einseitigen Werdeganges, nicht am realen Leben, sondern vertrauen ausschließlich auf schwarz auf weiß gedrucktes. Aus dem Zusammentreffen der Lehrer(innen) mit den Kindern (außen?) und Eltern (oben?) erwächst nicht selten eine der fruchtbarsten Formen gediegener Kommunikation.
Ein Beispiel hierfür sind die Begebenheiten, die sich immer wieder in Kleinbumsbach abspielen, dem Dorf, in dem auch Willy und Lilly zu Hause sind.
"Mama, ich will nicht mehr zur Schule gehen...", quengelt Klaus, "...die Lehrer sind so doof und die Schüler sind auch alle bescheuert."
"Das geht nicht mein Junge, du kannst nicht einfach zu Hause bleiben."
"Ich will aber nicht mehr in die blöde Schule, weil mir der ganze Laden dort stinkt und ich nicht einmal den Hausmeister leiden kann."
"Du mußt aber zur Schule zu gehen mein Sohn, du bist doch der Direktor."
Kurtchen, der Sohn von Willy und Lilly hat einen ganz besonderen Tick. Er kann es einfach nicht lassen, seine Lehrer mit Du anzureden.
"Du schreibst bis Morgen hundert mal, 'Ich darf meinen Lehrer nicht duzen'", hat ihn Herr Rohrstock, sein Klassenlehrer gestern angeschrien.
Freiwillig gibt Kurtchen am nächsten Tag die Strafarbeit ab und sagt: "Ich habe den Satz sogar zweihundert mal geschrieben."
"Warum das denn?", fragt der Lehrer verwundert.
Stolz antwortet Kurtchen: "Ich wollte Dir eine Freude damit machen!"
"Wer kann mir eine viersilbige Blume nennen?" fragt Herr Lehrer Rohrstock in die Runde.
"Al-pen-ro-se", sagt ein Mädchen aus der zweiten Reihe und betont die einzelnen Silben.
"Schöön, schöön, schöön" sagt der Lehrer lobend.
"Gän-se-blüm-chen", wird als nächstes genannt.
"Schöön, schöön, schöön", sagt der Lehrer wieder, und auch nach dem "Ver-giß-mein-nicht" sagt er "Schöön, schöön, schöön."
Dann kommt Norbert dran und sagt: "Ge-schlechts-ver-kehr"
"Aber Norbert, das ist doch keine Blume."
"Das nicht Herr Lehrer, aber schöön, schöön, schöön"
Es schellt zur Pause. Einige Jungen stehen auf dem Schulhof beieinander und erzählen von ihren Vätern.
"Mein Papa ist bei Sprengel, der taucht immer die Pralinen in die Schokolade" sagt einer.
"Meiner ist bei Opel, der taucht immer Kotflügel in Lack", prahlt ein anderer.
"Mein Papa taucht(g) überhaupt nicht..." sagt Kurtchens Freund Bernilein, "...der ist Beamter."
"Wovon ernährt sich eine Blume?", fragt Fräulein Schulte-Hückelheim in der folgenden Biologie Stunde.
"Von Milch", ruft Fritzchen vorlaut.
"Nein, Fritzchen eine Blume lebt vom Wasser", klärt das `Frollein` ihn auf.
"Kann ich ja nicht wissen...", brummelt Fritzchen, "...daß die Nelke in ihrem Ausschnitt so einen langen Stengel hat!"
"So, jetzt kriegt mal alle eure Hefte heraus und zeigt mir den Vogel, den ihr für heute malen solltet."
"Aber Hänschen, du hast ja nur einen Kreis gemalt?"
"Ich wußte nicht weiter, da hab ich meine Mutter gefragt, wo bei`n Vögeln die Beine hinkommen, da hat sie mir eine Ohrfeige gegeben. Da hab ich mich gar nicht erst getraut, zu fragen wo der Schwanz hingehört."
"Dann solltet ihr noch eine schöne Geschichte aufschreiben, aber auf deinem Blatt steht nur das Wort `Ausgeblieben`, daß ist doch keine Geschichte."
"Doch!" sagt Hänschen, "Unser Dienstmädchen hat gestern Morgen meinen Papa angesehen und gesagt `Ausgeblieben`, daraufhin hat mein Papa gesagt `Das ist ja eine schöne Geschichte`."
"Sag mal Hänschen, warum sitzt dein Bruder eigentlich im Gefängnis?"
"Ach Frollein, der sitzt nur, weil er immer Sachen findet, die andere gar nicht verloren haben."
Jetzt hat die Lehrerin Bernilein auf`s Korn genommen und fragt ihn: "Hat vier Beine und ein Euter, was ist das?"
"Eine kaukasische Bergziege", antwortet Bernilein.
"Ja, ja, das ist richtig..." druchst die Lehrerin,
"...aber ich hatte mehr an eine Kuh gedacht. Jetzt sag mir mal, was das ist; `Hat zwei Flügel und legt Eier?"
"Ein Nestor Papagei.
"Ja, ja, das ist richtig, aber ich hatte mehr an ein Huhn gedacht."
Nun wird es Berni zu bunt. "Dann will ich Ihnen mal eine Frage stellen Frollein Lehrerin", sagt er,
"Ist hart, wenn es aber in den Mund genommen wird, wird es zuerst glitschig und dann ziemlich weich."
"Aber Bernilein" sagt die Lehrerin und bekommt einen roten Kopf.
"Ja, ja, ist richtig...", sagt Berni, "...aber ich hatte mehr an einen Kaugummi gedacht."
"Siehst Du die beiden Frauen da hinten am Tisch? Die Blonde, das ist meine Frau und die Rote, das ist meine Freundin."
"Ko..ko...komisch, bei..bei mir ist das genau umgekehrt!"
Auf dem Heimweg von der Schule, erzählen noch weitere Jungen von ihren Vätern.
"Mein Papa ist Testfahrer bei Mercedes, der muß immer die neuen Autos einfahren", erzählt einer von ihnen.
"Meiner muß immer ganz viele Loopings machen, der ist Testflieger bei Dornier", sagt ein zweiter.
"Und mein Papa, der muß jeden Tag zwei Kästen Bier trinken", brüstet sich ein weiterer.
"Das glaubst du doch wohl selber nicht", zweifeln die anderen.
"Doch, doch, der ist Testpisser bei Pampas."
Der Lehrer kommt auf seinem Heimweg an einem Bauernhaus vorbei. Am Rande einer großen Jauchegrube steht Kurtchens kleiner Vetter Ronny und heult:
"Meine Mutter ist in diese Jauchegrube gefallen."
Der Lehrer reißt die Jacke herunter, macht einen Kopfsprung in die Jauche und sucht die ganze Grube ab.
"Ich kann deine Mutter nicht finden", sagt er nach dem Auftauchen zu dem Jungen.
"So ein Mist...", heult dieser und hält eine rostige Schraube hoch, "...dann kann ich die hier ja wohl auch wegwerfen."
Danach läuft Ronny, der dabei ist, einen Kaninchenstall zu bauen, zur Nachbarin und bittet diese, ihm eine Schere zu leihen.
"Sag mal, habt ihr denn zu Hause nicht selbst eine Schere?", fragt die Frau freundlich, als sie ihr gutes Stück zurückbekommt.
"Jasicher haben wir eine Schere, aber damit darf ich keinen Maschendraht schneiden."
Ronny verbringt die Nachmittage gern auf der nahen Baustelle. Auch heute sitzt er auf einem Sandhaufen und sieht den Handwerkern bei der Arbeit zu. Hubert der Maurer hat gestern Richtfest gefeiert und ist heute sehr ungelenk. Nacheinander fällt ihm die Kelle, das Lot, die Wasserwaage und der Hammer vom Gerüst herunter.
Jedesmal wenn er ein Werkzeug wieder herauf holt, ruft der Junge: "Mein Papa hat aber zwei Stück davon."
Selbst als Hubert vom Gerüst hinunter pinkelt schaut der Lümmel frech auf dessen Schniedel und ruft: "Davon hat mein Papa aber auch zwei!"
"Hat er nicht" schreit Hubert ihm verärgert zu.
"Hat er doch...", kontert der Bengel, "...einen kleinen zum Pippi machen und einen großen für Mamas Zähne zu putzen."
Auch Klein Erna und Heidi die gerade vorbei kommen, haben Hubert beim Pinkeln zugesehen.
"Hie, hie, hie, der macht ja aus einem Röhrchen", kichert Heidi.
"Das ist doch gar nichts...", meint Erna wichtig,
"...meine Oma macht sogar aus einem Mopp."
Während die Jugend auf diese Weise wichtige Erfahrungen fürs Leben sammelt, versuchen gegenüber der Baustelle zwei junge Frauen mit einem Kleiderbügel die Tür ihres Autos zu öffnen, weil sie den Schlüssel in der Zündung steckengelassen haben. Da sagt die eine zu der anderen:
"Beeil Dich ein bißchen, es wird gleich Regen geben und das Schiebedach ist bis hinten hin offen."